Montag, 23. Mai 2016

Leipzig WGT 2016 Bericht

Auch dieses Jahr hat den WGT 2016 Bericht + Fotos ObscuraLuce & Team beigesteuert – DANKE!

WGT Tag 1
Anreise am Donnerstag Abend. Leider mussten wir einige Staus ertragen bis wir gegen 20h in Leipzig ankamen. Wir hatten kurzfristig umgebucht und sind nun in einem kleinen, toll ausgestatteten Apartment in der Nähe der Innenstadt. Dann auf zum Agra Gelände um unser Bändchen abzuholen. Da war schon einiges los. Zum Glück war die Schlange für die Bändchen nicht so lang wie die für den Bus zum Belantis - gut, dass wir mit dem Auto da waren. Als besondere Attraktion zum 25. Jubiläum des WGT war der Besuch dieses Freizeitparks im Süden von Leipzig inklusive. Entsprechend groß der Andrang, einen Platz im Bus zu ergattern bzw. im Park selbst eine der Attraktionen nutzen zu können. Leider war der Park äußerst spärlich beleuchtet, was zwar passend war, aber man doch öfters aneinander gerempelt ist. Zur Erleuchtung beigetragen hat allerdings ein grandioses Feuerwerk um 23h. Wenn das mal kein gebührender Empfang für die Tausende Pilger von nah und fern war!! In einem großen Zirkuszelt wurde als Einstimmung in die kommenden Tage bereits Musik gereicht.
Am Freitag Morgen erstmal entspannt ausgeschlafen, gefrühstückt und das Programmheft gewälzt. Gar nicht einfach bei dem riesigen Angebot einen Ablaufplan zusammen zu stellen. Auch liegen die Locations nicht gerade nebeneinander und es ist eine gewisse logistische Herausforderung, einigermaßen pünktlich zu den persönlichen Highlights zu kommen. Und das heißt für mich heute: Ruined Conflict. Viele Jahre warte ich schon darauf, dass Xavier Morales den Weg nach Deutschland findet. Bin also sehr gespannt auf deren Auftritt heute Abend im Kohlrabizirkus. Um 15h soll das traditionelle viktorianische Picknick starten. Regen ist angesagt. Wenn es zu nass werden sollte, flüchten wir einfach ins Darkflower. Da legt Honey von Welle Erdball auf.
Das Wetter hatte wohl keinen Wetterbericht gehört. Im Clara Zetkin Park erwartete uns strahlender Sonnenschein und warme Temperaturen. Ideal für ein Picknick im Grünen. wie jedes Jahr gab es wieder einiges an dunkel-romantischem und kuriosem zu bestaunen. Menschen platzieren sich wie auf einem Gemälde romantischer Maler. Mein Eindruck war, dass sich diesmal deutlich mehr 'Normalos' untermischten, um zu sehen und zu staunen. Die Schlange am Eis- und am Würstchenstand war lang und erforderte Geduld.
Mit der Straßenbahn kurz zurück in unser Apartment und umziehen, raus aus dem Mieder, rein in bequemeres Outfit. Durchschlagen zum Kohlrabizirkus. Gut, dass es so viele Mitreisende gibt, die helfen können, wenn man nicht weiß, wo es lang geht. Oder man folgt einfach der schwarzen Masse. Ruined Conflict - endlich. Die amerikanischen Boys hatten wohl einen kleinen bescheidenen Fanclub mitgebracht. Jedenfalls gab es Menschen, die schon vor Beginn des Konzerts in Ekstase gerieten. Xaviers Stimme kam nicht ganz so gut rüber wie auf Tonträgern - dennoch hat sie ihren Charme. Ähnlichkeiten mit Ronan (VNV Nation) sind sowohl musikalisch wie auch von der Bühnenpräsenz deutlich erkennbar. Das Konzert war solide und Xavier deutlich gerührt von der großen Akzeptanz, die ihm entgegen schlug.
Sofort nach den letzten Klängen weiter und in einer viel zu lange dauernden Fahrt mit der Straßenbahn zum Nontox. Wir kommen gerade noch rechtzeitig zum Beginn von Centhron. Wir hatten die Bremer ja schon einige Mal live erlebt. Zuverlässig und souverän zeigten sie, was sie draufhaben und ließen den Hinterhof des Etablissements zum kochen kommen. Erschöpft und glücklich reihten wir uns in die wartende Menge an der Haltestelle ein. Ob diese Menschenmassen in eine einzige Bahn passen? Sie passten. So hatte ich wenigstens die Gelegenheit, mich nach der doch recht kühlen Nacht draußen wieder aufzuwärmen.




WGT Tag 2
Es ist deutlich abgekühlt und es weht ein kalter Wind durch die Straßen von Leipzig. Ich mach mich auf, um einen heißen Kaffee zu organisieren. Nach dem Frühstück gibt das stadtgeschichtliche Museum Einblick in 25 Jahre WGT in Leipzig und die Frage: was bedeutet es eigentlich, ein 'Goth' zu sein? Szenefotografien und interessante Ausstellungsstücke werden durch Interviews mit Insidern abgerundet. Eine kleine, aber feine Ausstellung, an der nicht nur Szenegänger, sondern auch normale Bürger großes Interesse zeigen. Um die Mittagszeit brechen wir auf zum Völkerschlacht Denkmal. Dieses monumentale Bauwerk von 1913 erinnert an die Völkerschlacht von 1813 und die Befreiungskämpfe gegen Napoleon. Mit 91 Meter gehört es zu den größten Denkmälern Europas. Von dort hat man einen grandiosen Blick auf Leipzig. Leichenwagen und ihre Fahrer waren aufgerufen, sich am Fuße des 'Völki' zu sammeln und ihre Fahrzeuge bestaunen zu lassen. Besondere Aufmerksamkeit erregte ein antiker Mercedes 220 SE (W 111) in sehr gutem Zustand. Ein breites silbernes Kreuz prangte auf dem Dach und das Innenleben aus Chrom war glatt poliert; kleine Kreuze und Marienfiguren säumten die hinteren Fenster.
Durch den kalten Wind laufen wir zurück zur warmen Straßenbahn Richtung zum Täubchenthal. Hier wird eine kleine Sensation erwartet. Sigue Sigue Sputnik, ein Relikt aus den 80ern, spielt auf. Entsprechend 'alt' ist das Publikum - und nicht wenige haben ihre Haare dieser Zeit gemäß nach oben und zu allen Seiten toupiert. In der recht engen Halle ist kein durch kommen nach vorne möglich, zu groß das Gedränge, diese Paradiesvögel einer vergangenen Zeit noch mal zu sehen. So können wir kaum einen Blick erhaschen und beschließen, bereits jetzt zum Felsenkeller aufzubrechen.
Als wir ankommen spielt gerade Diodati, eine Band, die mit klassischen Instrumenten wie Cello und Geige arbeitet und ganz interessant klingt. Anschließend betritt Meinhard die Bühne. Selbstverliebt und fulminant sein Auftreten. Die Musik hat Drive, ist aber für mein Empfinden ohne Leben.
Drive, Leben, Energie haben allerdings Schwarzer Engel, die im Anschluss spielen. Die 4 Jungs spielen zusammen mit Leidenschaft und formen eine echte Band statt nur zufällig nebeneinander auf der Bühne zu stehen. Krachendes Dark Metal entführt in eine dunkle Welt der Sagen und Mythen. Auch optisch bietet der Frontmann Jason mit seinem goldenen Brustpanzer und den ständig über die Augen hängenden Haaren was fürs Auge. Er und sein Leadgittarist headbangen um die Wette, dass man sich fast schon Sorgen um deren Gesundheit machen muss.
Obwohl es Samstag Abend und WGT ist, können wir nicht mehr und beschließen, 'nach Hause' ins warme Bett zu fahren. Solche Tage sind doch von vielen Eindrücken geprägt und wir wollen Kräfte sammeln für den morgigen Tag. Wir haben so viel noch nicht gesehen!

 



WGT Tag 3
Der Himmel über Leipzig ist grau und regenverhangen. Es kommt mir vor, als seien wir mitten im Winter. Tapfer halten die Goths in ihren oft kaum vor der Kälte schützenden Outfits durch. An den Straßenbahnhaltestellen stehen sie und wärmen sich gegenseitig. Beim Gang durch die Stadt kann ich immer wieder beobachten, wie staunende Bürger wie auch Touristen die Kollegen mit den aufsehenerregendsten Erscheinungen anhalten und um Fotos bitten. Nein, damit würde ich mich unwohl fühlen. Ich bin kein Ausstellungsstück. Auf dem Agra Gelände unter Gleichgesinnten wäre das was anderes. Nun gut. Ich laufe durch die Stadt, will kurz in die mit so viel Geschichte beladene Nikolaikirche - aber da ist Gottesdienst und so lange will ich nicht bleiben. Dafür schaue ich kurz in das Forum für Zeitgeschichte rein. Ein äußerst sehenswertes Museum über die jüngste Geschichte Ostdeutschlands. Besonders gut finde ich, dass viele Augenzeugen zu Wort kommen und so alles sehr lebendig und 'wahr' rüberkommt. Eine Fotoausstellung im oberen Stockwerk blickt hinter die Kulissen des real existierenden Sozialismus - teilweise recht krasse Fotos aus dem Alltag der DDR Bürger. Das ist genau das, was Museen zeigen sollen: die wahren Lebensumstände der Menschen.
Doch zurück zum WGT. Wir starten den musikalischen Teil des Tages mit Blitzmaschine im alten Jugendstilbad (super Location!). Die Hamburger sind gut gelaunt und  erwärmen wunderbar mit ihren gut tanzbaren EBM Beats die kühle Halle. Wir steigen wieder in die Tram, M fährt zum Nontox, dem Outdoor EBM/Industrial Tempel des WGT, wo ihn heute Terrorfrequenz und Rotersand erwarten. Ich fahre weiter zum Agra Gelände und schaue mich ein wenig im 'Commerz Dschungel' um. Die Hallen sind übervoll - kein Wunder: draußen regnet es und es ist kalt. Nach einer leckeren veganen Mahlzeit in der Kälte zieht es mich wieder in die Halle. Die Urgesteine von Diary of Dreams stehen auf dem Programm. Motiviert und solide bieten die Jungs um Adrian Hates ein gut geschnürtes Paket aus alten und neuen Liedern an. Es ist immer wieder ein Traum, dabei zu sein und ich bin gespannt auf das neue Album. Dennoch muss ich sagen, dass einfach zu viele Menschen in einer zu großen Halle den Genuss erheblich trüben. Danach kurz checken ob es möglich ist, Einlass zum Kohlrabizirkus zu erhalten, in dem Mesh und Welle Erdball spielen sollen. Doch ein kurzer Blick auf die Schlange vor dem Einlass veranlasst uns auch zum Nontox zu fahren und da in entspannter, gelockerter Runde die letzten Klänge von Rotersand zu genießen. Die Eiseskälte wird in dem Open Air Hinterhof einfach weggetanzt.

Am Montagmorgen sind wir einfach nochmal durch die Stadt und später über die Shopping Meile auf dem Agra-Gelände flaniert. Das Angebot reichhaltig und vielseitig. Wir lassen uns nicht verführen und treten am frühen Nachmittag die Heimreise an.



Fazit zum diesjährigen WGT: zum einen hatte ich den Eindruck, dass deutlich mehr 'Muggels' dabei waren, die wohl das Jubiläum und die große Popularität, die das Festival inzwischen erlangt hat, dazu nutzen wollten, sich zu verkleiden und in eine ganz andere Welt einzutauchen. Immerhin hat die Stadt Leipzig im Jahr 2014 für das WGT einen Tourismuspreis erhalten. Zum anderen habe ich meine persönliche Lehre gezogen und werde - falls ich nochmal wiederkomme - nicht zu den großen und bekannten Bands in die großen Hallen wie Agra oder Kohlrabizirkus gehen, sondern eher die kleinen, übersichtlichen Locations wie Felsenkeller, Stadtbad oder Nontox vorziehen. Hier spielen weniger oder kaum bekannte Bands und es herrscht noch die vertraute Übereinstimmung Gleichgesinnter, die in der großen Masse leicht verloren gehen kann...

ObscuraLuce

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